Evidenzbasierte Primärprävention von Krebserkrankungen durch gesunde Ernährung und körperliche Aktivität

Ausgabe: internistische praxis, 2011, Band 51/3, Mediengruppe Oberfranken (ISSN 0020–9570)

Zusammenfassung: Doll und Peto haben 1981 in einer Veröffentlichung festgestellt, dass etwa 40% der Krebserkrankungen auf Ernährungsdefizite einschließlich Alkoholüberkonsum, Übergewicht bzw. Adipositas und Bewegungsmangel zurückzuführen sind. Für derartige Einschätzungen ist heute die Bewertung von einer für eine Einzelne nicht mehr überschaubare Anzahl von epidemiologischen Studien durch internationale wissenschaftliche Fachgremien erforderlich. Da auf dem Gebiet der Krebsprävention (fast) keine randomisierten und kontrollierten Interventionsstudien vorliegen, muss die Bewertung sich auf prospektive und retrospektive Kohortenstudien bzw. Fall-Kontroll-Studien stützen, sodass nur Aussagen mit entweder überzeugender, wahrscheinlicher oder möglicher Evidenz gemacht werden können. Bekanntlich ist es in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Anstieg von Übergewicht bzw. Adipositas gekommen. Parallel dazu sind auch die adipositasbedingten Krebserkrankungen deutlich angestiegen. So ist heute die Adipositas bei Frauen mit etwa 20% und bei Männern mit etwa 14% für die mit Krebs in Zusammenhang stehenden Todesfälle verantwortlich. Seit vielen Jahren spielen Obst und Gemüse bei der Diskussion um Krebsprävention durch Nahrungsmittel eine herausragende Rolle. Anfang der 1990er-Jahre ergaben die Analysen der wissenschaftlichen Studien eine überzeugende Evidenz für den Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Obst und Gemüse und dem Auftreten von Krebserkrankungen. Das war Anlass für die Kampagne »5 am Tag« (mindestens 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag). In dem 2007 vorgelegten zweiten WCRF-Report über Ernährung, körperliche Aktivität und Krebsprävention, der auf der Basis der Auswertung von 7000 epidemiologischen Studien entstanden ist, wurde diese Risikobeziehung auf eine wahrscheinliche Evidenz zurückgestuft. Wegen der Ergebnisse neuerer Studien, vor allem von Teilauswertungen der großen europäischen EPIC-Studie, muss heute davon ausgegangen werden, dass nur ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen einem reichlichen Verzehr von Obst und Gemüse und einem geringeren Auftreten von Krebserkrankungen des oberen und unteren Intestinaltrakts und der Lunge zu konstatieren ist. Weiterhin ist dem WCRF-Report zu entnehmen, dass (rotes) Fleisch das Risiko für Dickdarm- und Mastdarmkrebs wahrscheinlich erhöht und eine hohe Ballaststoffaufnahme das Risiko wahrscheinlich vermindert. Die w-3-Fettsäuren und der Verzehr von Fisch senken möglicherweise das Risiko für Dickdarmkrebs. Nur für übermäßigen Alkoholkonsum wurde im WCRF-Report für Krebserkrankungen im oberen und unteren Intestinaltrakt ein Zusammenhang mit überzeugender Evidenz angenommen. In der vorliegenden Arbeit wird außerdem die Bedeutung einer regelmäßigen körperlichen Aktivität für die Primärprävention von Krebserkrankungen herausgearbeitet. Während regelmäßige körperliche Aktivität eine große Bedeutung für die Gewichtsreduktion und damit auch für die Krebsprävention bei Adipositas besitzt, gibt es eine Reihe neuerer Untersuchungen, aus denen sich ableiten lässt, dass regelmäßige körperliche Aktivität auch direkt krebspräventiv wirkt. Das gilt vor allem für den Brustkrebs der Frau und den Dickdarmkrebs bei beiden Geschlechtern. Abschließend heißt es, dass heute der Gewichtsreduktion bei Übergewicht bzw. Adipositas die größte Bedeutung für die Primärprävention von Krebserkrankungen beizumessen ist. Durch eine günstige Lebensmittelauswahl und regelmäßige körperliche Aktivität kann das Auftreten von Krebserkrankungen darüber hinaus deutlich verringert werden kann. Möglicherweise liegt der Prozentsatz der Krebsreduktion, der sich damit erreichen lässt, weiterhin im Größenordnungsbereich von 30–40%, wie er Anfang der 1980er-Jahre eingeschätzt wurde.

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Autoren: K.-D. KOLENDA

Rubrik: Blutkrankheiten Immunologie Onkologie

Verlag: Mediengruppe Oberfranken

Stichworte: Epidemiologie, Risikofaktoren, Übergewicht, Bewegungsmangel, krebsfördernde und krebshemmende Ernährungsfaktoren, Evidenz, WCRF-Report, EPIC-Studie, evidenzbasierte Empfehlungen zur Prävention

ISSN: 0020–9570